21. Juli 2019
Reisebericht von Michael Weinmann
Wenn ein Navflug auf der Kippe steht, dann in der Regel aufgrund schlechten Wetters. Dass ein Bundesgerichtsurteil eine solche Reise stoppen könnte, daran hatte niemand gedacht. Am Tag vor der Abreise bestätigte das Bundesgericht den Schuldspruch gegen einen Skyguide-Lotsen. Die Skyguide reagierte umgehend mit der Reduktion der Kapazitäten. Unter anderem suspendierte sie sämtliche VFR-Flüge bis auf Weiteres.
Faktisch war ein Start unserer fünf Flugzeuge am Freitagmorgen also unmöglich. Dank guter Kontakte und noch besserer Argumente (5 Flugzeuge, 3 Tage = grosser wirtschaftlicher Schaden) wurde uns für den Ausflug aber eine Ausnahme gewährt. Für die Rückkehr durften wir jedoch nicht mehr mit Slots rechnen.
So starteten wir also am Freitag, 12. Juli, gen Norden. Das Tagesziel war Flensburg, welches den meisten von uns wohl am ehesten bekannt ist als der Ort, an dem die Strafpunkte deutscher Verkehrssünder verwaltet werden. Jedenfalls liegt es soweit nördlich, dass ein paar Meter weiter Dänemark beginnt. Und so war die Aufgabe klar: Strecke machen.
Das erste Leg nutzten einige Crews für tiefe Überflüge des Technikmuseums Speyer und des Hockenheimrings. Nach rund zwei Stunden Flug machten wir Halt in Allendorf/Eder. Der Flugplatz hat eine beeindruckende Grösse. Entlang der 1240m langen Piste stehen gleich 5 grosse Hangargebäude. Der Flugplatz gehört dem Heiztechnikunternehmen Viessmann. Und so ist die Geschäftsfliegerei hier gut vertreten. Ein Kaffee oder Restaurant suchten wir aber vergebens und so mussten wir mit einem kargen Raum mit Sitzungstisch Vorlieb nehmen.
Grosses Thema beim ersten Stopp: das Wetter! Während die Festgemeinde am Züri Fäscht das volle Sommerprogramm geniessen durfte, war für unser Gebiet Regen und viel Wind angesagt. Klar war, dass es in Flensburg am nächsten Tag sicher bis zum Mittag regnen würde. Und auch die Prognose für die kommenden Stunden war nicht wirklich eine Freude.
Und so entschieden wir uns für eine erste Abweichung vom Programm. Statt zum abgelegenen Flugplatz Rotenburg/Wümme entschieden wir uns, nach Wilhelmshaven zu fliegen. Falls wir Flensburg auslassen würden, hätten wir dort mehr Möglichkeiten, ein Hotel zu finden und am nächsten Tag zum Beispiel in Richtung Holland dem Wetter auszuweichen.
Das Beste an Wilhelmshaven: es gab Currywurst im Flughafenrestaurant. Gestärkt diskutierten wir schliesslich das weitere Vorgehen unter Leitung von Leader Martin Bosshard. Übernachten in Wilhelmshaven oder Weiterfliegen nach Flensburg? Der Fall war klar: Wir versuchen es mit dem bewussten Risiko, dass wir am nächsten Tag blockiert sein könnten.
Die Route führte uns quer durch Schleswig-Holstein. Die Wolken kamen immer tiefer, der Wind zog an und immer wieder begegneten wir Regenschauern. Mit starken Böen landeten wir alle wohlbehalten am Flugplatz Flensburg-Schäferhaus, vertäuten unsere Flugzeuge für die Nacht und zogen gleich mal Pullover und Jacken an. Es war nicht frisch, es war kalt.
Flensburg ist ein hübsches Hafenstädtchen. Die Altstadt mit malerischen Gassen und Hinterhöfen lädt zum Spazieren ein. Besondere Sehenswürdigkeit ist der historische Hafen mit den ausgestellten Schiffen.
Für das Abendessen stand natürlich Fisch auf dem Programm. Bei «Piet Henningsen» hat man für unsere grosse Gruppe gleich das Stübli im oberen Stock reserviert. Gut so, denn wir sind eine gut gelaunte und deshalb nicht gerade leise Gesellschaft.
Spätestens beim Kaffee begannen viele auf ihren Telefonen die Wetterprognosen zu studieren. Egal, welche App man konsultierte, der Fall war klar: Regen und Wind – mindestens bis Mittag. Und weil Wunder selten sind, kam es, wie angesagt.
Ursprünglich sollte es zuerst von Flensburg nach Wyk auf Föhr gehen. Doch schon früh am Morgen informierte uns Martin Bosshard, dass wir ruhig noch eine Runde weiterschlafen könnten. Beim Frühstück war das Wetter dann gar nicht mal sooo schlecht. Ja, es hellte sogar etwas auf. Prompt wagten es einige, die Stadt nochmals zu erkunden.
Doch die Aufhellung war nur eine Täuschung. Wer nicht mit Regenjacke oder Schirm ausgerüstet war, wurde plitschnass. Der Optimist der Gruppe weigerte sich standhaft, im Hochsommer Regenschutz und Windstopper zu tragen.
Gegen Mittag begaben wir uns doch noch an den Flugplatz. Die Webcams auf Sylt zeigten, dass das Schlimmste wohl vorbei war. Voller Tatendrang wollten dann fast alle Crews gleichzeitig auf die Piste rollen. Die Idee, zu dritt den Backtrack durchzuführen, stellte sich nachträglich allerdings als Fehler heraus. Beim Ausholen am Pistenanfang rutschte eine Maschine in den Kiesgraben am Rand. Nur mit vereinten Kräften war es möglich, das Flugzeug wieder auf den Asphalt zu stossen. Zum Glück hatte der Ausrutscher keine Folgen.
Im Anflug auf Sylt kam endlich wieder einmal die Sonnenbrille zum Einsatz. Sonne, weisse Wolken, blauer Himmel – eine Freude. Doch der Wind blies mit starken Böen. Kein Problem bei der breiten Piste, die auch gleich der A220 der Swiss benutzte, der Feriengäste auf die Landzunge brachte und wieder abholte.
Im GAC wurde die MFGZ-Gruppe sehr freundlich empfangen. Es gab etwas Süsses und je ein Gutschein für ein Fischbrötchen im Dorf. Nach einem kurzen Spaziergang erreichten wir die touristische Hauptstrasse von Sylt. Je weiter man zum Meer kam, desto kräftiger blies der Wind. Kein Wunder, sind die Strandkörbe beliebter als Liegestühle.
Den Start von Sylt muss man sich erarbeiten. Eine gefühlte Viertelstunde rollt man vom GA-Parking bis zum Pistenanfang. Fluglehrer François Frochaux meinte hierzu im Cockpit: «Willst du etwa nach Helgoland fahren?» Wir entschieden uns, schon aus rein logistischen Gründen, fürs Fliegen.
Aus der Luft war sehr gut zu erkennen, wie die Flut zurückkehrt. Langgezogene Sandbänke begannen unter einer dünnen Wasserschicht zu verschwinden. Es war schwierig, zu erkennen, wo das Wasser tief wäre und wo nicht. Wie würde hier wohl eine Notwasserung aussehen? Und benötigt man eine Rettungsweste, wenn man im Wattenmeer landet?
Der wohl anspruchsvollste Moment dieses Navflugs kam mit dem Anflug auf Helgoland. Piste 33 war in Betrieb. Der Wind blies mit rund 20 Knoten von vorne links. Der Pistenanfang liegt unmittelbar nach dem Sandstrand. Eine kleine Düne sorgt für mögliche Wirbel direkt vor dem Aufsetzpunkt. Hier war besondere Konzentration gefragt. Durchstarten kam verständlicherweise auch vor. Auf dem Tarmac erinnerte ein Flugzeug mit eingeknicktem Fahrwerk, wie ein Ausflug nach Helgoland auch noch ausgehen kann.
Wer bereits gelandet war, begab sich auf die Terrasse des Kontrollturms und beobachtete die Kameraden bei ihren Versuchen auf der 480 Meter kurzen Piste. In wenigen Schritten gelangten wir nach dem Bezahlen der Landetaxe an den Strand der Düne Helgoland. Bei dem kalten Wind war es wenig verwunderlich, dass der FKK-Strand leer war. Dafür liessen sich gleich mehrere Robben blicken.
Viel Zeit blieb uns nicht. Der Flugplatz schliesst exakt um 18.30Uhr. Danach muss man sich ein Hotelzimmer suchen. Mit fünf Flugzeugen taten wir also gut daran, nicht auf den letzten Drücker weiterzufliegen. Mit einer Kurve um die Hauptinsel Helgolands steuerten wir weiter in Richtung Süden mit Destination Bremen.
Bremen ist ein internationaler Flughafen. Kleiner als Zürich aber von der Infrastruktur her ähnlich und deshalb nichts Unbekanntes. Allerdings hat der Flughafen schon bessere Tage gesehen. Das Aus von Germania hat Bremen schwer getroffen. Zudem hat Ryanair die Basis mit drei Flugzeugen und Wartungsbetrieb aufgegeben.
Die Altstadt von Bremen ist malerisch und verfügt über viele beeindruckende Gebäude wie zum Beispiel den Dom und das historische Rathaus, in dessen Gewölbekeller wir zum Abendessen wieder eine grosse Tafel organisieren konnten. Das meistfotografierte Sujet ist aber wahrscheinlich die Skulptur mit den Bremer Stadtmusikanten.
Die grosse Frage am dritten und letzten Tag dieses Navflugs war: Wohin bringen wir unsere Flugzeuge? Es war schnell klar, dass es für Zürich definitiv keine Ausnahme geben würde. Ops-Chef Andreas Carl stand bereits in Kontakt mit diversen Flugplätzen in der Umgebung. Die DA40 musste zum Beispiel wenn irgendwie möglich einen Hangarplatz erhalten. Am Ende war klar, dass zwei Flugzeuge in Lommis unterkommen würden. Zwei weitere sollten das Birrfeld ansteuern. Und das fünfte würde schliesslich in Speck-Fehraltorf übernachten. So konnte auch sichergestellt werden, dass die Flugzeuge in den Folgetagen für die Schulung bereitstehen würden.
Auf dem Weg in die Schweiz gab es für die meisten nur noch einen Zwischenstopp, nämlich Mainz. Der Flugplatz ist anständig gross und liegt unmittelbar ausserhalb der CTR von Frankfurt. Quasi ein zweites Birrfeld. In Mainz war Zeit, sich voneinander zu verabschieden. Der Abschluss im C-Büro in Zürich würde logischerweise wegfallen.
Und so machten sich alle auf in Richtung Heimat und bekamen auf dem Weg dorthin die Gewitterzellen teils spektakulär nah zu sehen. So zog eine Zelle von Schaffhausen in Richtung Bodensee und schüttete unfassbare Wassermengen auf den Boden.
Für eine Crew war die Reise nach der Landung in der Schweiz noch nicht ganz vorbei. Die HB-PMT musste nämlich unbedingt in die Flight Maintenance, weil sie kurz vor einer Kontrolle stand. Skyguide liess diesen Flug zu. Doch der eigentlich kurze Flug wurde zu einer Geduldsprobe mit Schwindelgefahr. Während einer halben Ewigkeit musste die Maschine unzählige Holdings fliegen.
Am Ende muss man aber sagen: zum Glück kamen wir am Freitag raus. Es wäre jammerschade gewesen. Denn dieser Navflug war vielfältig, lehrreich und ein grosses Erlebnis. Ein grosser Dank gebührt Martin Bosshard für die Organisation und allen Teilnehmenden für die einmal mehr tolle Stimmung untereinander.